Ein Gespräch mit Karl-Friedrich Jedtke und Tobias Haubensak
Es ist ein Amt, das mehr Arbeit als Ehre verspricht und dann auch noch so klingt, als hätte es ziemlich viel mit Zahlen und Abrechnungen zu tun: Der Revisor. Große Vereine sind dazu verpflichtet, diesen Posten doppelt zu besetzen. Aber welche Funktion hat eigentlich ein Revisor? Was macht er, wozu braucht man ihn und weshalb tut sich jemand das Amt überhaupt an? Wir haben mit den beiden Revisoren des AWO-Kreisverbandes Stuttgart gesprochen: Mit Karl-Friedrich Jedtke (75) und Tobias Haubensak (37).
Aber zunächst: Was ist und was macht ein Revisor? Revisoren – das Wort leitet sich vom lateinischen Verb „revidere“ her, was so viel heißt wie „noch einmal draufschauen“ – sind Rechnungsprüfer, die den Auftrag haben, die Buchführung des Vereins zu überprüfen. Dazu dürfen sie in alle Unterlagen Einsicht nehmen und der Vorstand muss alle erforderlichen Auskünfte erteilen. Das heißt im Umkehrschluss, Revisoren sind nicht Mitglied des Vorstands, dessen Tun sie ja kontrollieren sollen.
Karl-Friedrich Jedtke formuliert seine Aufgabe so: „Revisoren haben die Kontrolle über die Finanzen.“ Zwar verfügt das „Unternehmen“ AWO über einen professionellen Wirtschaftsprüfer, aber auch aus der Mitte des Vereins heraus muss es Revisoren geben. Karl-Friedrich Jedtke ereilte das Amt vor rund zwei Jahren: „Da hat mich Friedhelm Nöh, der damalige Geschäftsführer der AWO angerufen und hat gemeint, ich sei der geeignete Mann für den Posten. Und einem Friedhelm Nöh kann man halt nichts abschlagen“, schmunzelt der pensionierte Lehrer, der am Wirtschaftsgymnasium West Chemie und Physik unterrichtet hat und sich schon aus Berufsgründen auf Formeln, Zahlen und Strukturen versteht. Außerdem hatte er Übung: seit Jahren fungiert er als Revisor im AWO-Stadtbezirk Süd, allerdings in einer kleineren Dimension: „Das sind ein paar Blätter und ein Stündchen Arbeit.“ Da ist der AWO-Kreisverband schon eine andere Nummer.
Erleichtert habe seine Revisoren-Tätigkeit für den Kreisverband die Vereinheitlichung der Strukturen durch den neuen Vorstand, das bringe Synergieeffekte hervor und einen besseren Überblick. Eine Entwicklung, die Jedtke sehr positiv findet: „Wenn es so weiter geht, sehe ich gute Chancen für die Zukunft.“ Dass der Vorstand den Revisoren die komplette Datenbank digital zur Verfügung gestellt hat, sei sehr hilfreich gewesen: „Da muss man nicht mehr in Ordnern blättern.“
Was folgt, wenn alle Zahlen auf dem Tisch liegen, ist nicht weniger als die Kontrolle des Vorstands: man nimmt die einzelnen Ausgabenbereiche unter die Lupe, kontrolliert Ausgaben und Einnahmen, freut sich über Erbschaften, die die Bilanz schlagartig verbessern, versucht bei Zuschussgebern ein bisschen Druck zu machen, aber auch nicht zu viel, um die Laune nicht zu verderben; schaut kritisch auf neue und laufende Projekte: Ergibt das (noch) Sinn? Oder ist es am Ende zu defizitär? Natürlich habe die AWO eine soziale Aufgabe und müsse andere Schwerpunkte setzen als ein Industriebetrieb, sagt Karl-Friedrich Jedtke, „aber auch die AWO ist ein Wirtschaftsunternehmen, da führt kein Weg dran vorbei. Nicht alles muss mit Gewinn verbunden sein, aber die Wirtschaftlichkeit muss man im Auge behalten.“
Konkrete Beispiele: Im Waldheim Feuerbach wurde kräftig investiert, um die Sommerfreizeiten zu unterhalten; die Demenzwohngruppe im Hallschlag dagegen war nicht zu halten.
Entscheidungsgremium ist letztendlich der Vorstand, der sich vor den Mitgliedern rechtfertigen muss. Dass sich Vorstand und Geschäftsführung über Rat und Bedenken der Revisoren hinweggesetzt hätten, sei noch nie vorgekommen, denn beide handelten mit Augenmaß und Weitblick: „Wir können froh sein, dass wir so eine Besetzung haben.“ Und wie sieht er seine eigene Tätigkeit: „Es ist ein wichtiges Amt, das man Ernst nehmen muss“, sagt Karl-Friedrich Jedtke.
Vermutlich meint Tobias Haubensak das Gleiche wenn es sagt: „Wir sind die Sparringpartner!“ Denn das zeichne die AWO als gemeinnützige Organisation ja aus: bei einzelnen Projekten Flagge zu zeigen; nicht alles müsse sich positiv rechnen, es gebe schließlich auch eine ideelle Seite. Trotzdem: „Der Rückzug aus der Demenz-Wohngemeinschaft hat allen weh getan, das war keine leichte Entscheidung.“ Aber manchmal sei es eben auch Aufgabe der Revisoren, unangenehme Wahrheiten auszusprechen.
Tobias Haubensak kennt berufsbedingt auch die andere Seite: Als gelernter Steuerfachangestellter ist er derzeit in leitender Funktion bei einer Tankstellengesellschaft tätig und kennt das Rechnungswesen in- und auswendig. Als dann vor sechs Jahren im Kreisverband der Posten des Revisors vakant war, hat er die Hand gehoben: „Man kann nicht nur den Mund aufmachen, man muss auch etwas tun.“
Bei der AWO ist man froh über den engagierten Nachwuchs, der gut zum Generationenwechsel in der Geschäftsführung passt. Dieser Generationenwechsel sei auch nötig, um die AWO als Arbeitgeberin attraktiv zu halten, findet Tobias Haubensak, der die bisherige Geschäftsführung wertschätzt und die neue Doppelspitze gut findet: „Da kann man ein bisschen als good cop/bad cop agieren.“ Neben vielem anderen sieht er noch einen guten Grund sich in der AWO zu engagieren: „Wir müssen die AfD wieder klein machen! Ich möchte es nie mehr erleben, dass Waldheime geschlossen und die AWO verboten wird. Und meine Kinder sollen das auch nicht erleben.“ (ann)
Karl-Friedrich Jedtke (75) ist in Heslach geboren und aufgewachsen, hat an der TU Berlin Chemie studiert und war Lehrer an der Werner-Siemens-Schule und am Wirtschaftsgymnasium West mit den Unterrichtsfächern Chemie und Physik. Von 1994 bis 2009 war er Bezirksvorsteher in Stuttgart Süd. Mit 19 Jahren trat er der SPD bei. In Feuerbach betreut er die Seniorengruppe der SPD und genießt es, im Ruhestand erst um 9 Uhr frühstücken zu können. Neben Kochen ist Verreisen ein Hobby; beliebte Ziele: die Westerschelde in Holland und der Bodensee.
Tobias Haubensak (37) bezeichnet sich gern als „Kind des Stuttgarter Nordens“, ist in Zuffenhausen zu Hause und Vater von zwei Kindern, drei und sechs Jahre alt. Kuriosität am Rande: Seinen Revisor-Kollegen Jedtke kennt er aus Schulzeiten: Haubensak war Schüler am Wirtschaftsgymnasium, an dem Jedtke unterrichtete. Der erste Kontakt zur AWO fand übers Jugendwerk statt: Bei einem Kurs in der Schweiz hat er Skilaufen gelernt. Seit zehn Jahren ist Tobias Haubensak inzwischen Mitglied. Außerdem sitzt er für die SPD im Bezirksbeirat Zuffenhausen, ist Ortsvereinsvorsitzender, im Aufsichtsrat der Baugenossenschaft, im Vorstand des Waldheimvereins und Schöffe am Amtsgericht.