
Faktencheck #10
Im Faktencheck #9 haben wir angekündigt, dass die Dublin-III-Verordnung geändert wird. Das geschieht im Rahmen der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems GEAS.
Die neue Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement (AMM-VO) gilt ab Juni 2026.
Im Mittelpunkt der GEAS-Reform stehen grundsätzlich die Abschottung und Reduktion von Schutzsuchenden in Europa. Dies geschieht durch verpflichtende Vorabkontrollen, einer stärkeren Grenzverwaltung und schnellere Asylverfahren direkt an den EU-Außengrenzen.1
In Bezug auf die Dublin-III-Verordnung spricht der Europäische Rat von einem “verbindlichen, aber flexiblen Solidaritätsmechanismus”.2 Trotzdem bleibt das alte Grundprinzip: Grundsätzlich ist das Land der ersten Einreise für das Asylverfahren zuständig. Die Mitgliedstaaten im Süden und Südosten der EU tragen so auch zukünftig die größte Last bei den meisten Asylverfahren.3
Die Zuständigkeit der Grenzstaaten soll dabei noch stärker durchgesetzt werden. Dafür wird es verlängerte Überstellungs-Fristen geben. Das bedeutet: Wenn man weiß, welcher Staat verantwortlich ist, gelten deutlich längere Fristen, um Schutzsuchende zu überstellen. Diese Vorschrift soll die Sekundärmigration stoppen, also die Weiterreise von Asylsuchenden innerhalb der EU.2 Für Geflüchtete bedeuten die längeren Überstellungs-Fristen mehr Unsicherheit, denn sie können über einen viel längeren Zeitraum rückgeführt werden. Zeitgleich ist der Rechtsschutz für Geflüchtete im neuen System schlechter.4
Die neue Verordnung soll die europäischen Grenzstaaten unterstützen. Denn diese Staaten sind weiter für sehr viele Schutzsuchende zuständig, obwohl die Lebensbedingungen für Geflüchtete in diesen Ländern oftmals sehr schlecht sind (vgl. Faktencheck #9).
Die Unterstützung soll auf Solidarität basieren: Alle EU-Länder müssen Schutzsuchende aufnehmen. Die Größe der Bevölkerung und Wirtschaft ist dabei entscheidend. Jedes Jahr sollen so mindestens 30.000 Schutzsuchende von anderen EU-Ländern übernommen werden.
Die Länder können stattdessen auch Geld oder Personal bereitstellen. Jährlich müssen insgesamt mindestens 600 Millionen Euro in einen „Solidaritätspool“ gezahlt werden. 2
Auch jetzt gibt es schon die Möglichkeit, Schutzsuchende aus Grenzstaaten freiwillig zu übernehmen. Trotzdem gab es nur wenige Übernahmen.4 Deshalb ist unklar, wie groß die Entlastung für die europäischen Grenzstaaten sein wird.
Fraglich bleibt: Macht die Reform das System wirklich fairer? Die Grundidee des Dublin-Systems bleibt gleich. Viele Probleme hängen davon ab, ob die EU-Länder die Regeln gut einhalten. Auch nach der Reform ist nicht sicher, dass alle Länder genug Unterkünfte haben oder gute medizinische Versorgung und faire Asylverfahren anbieten. Solange es diese Unterschiede gibt, müssen Gerichte weiter prüfen, ob Menschen überhaupt in ein anderes Land zurückgeschickt werden dürfen.
Die Reform versucht zwar, das System funktionsfähiger zu machen. Trotzdem bleiben viele Probleme bestehen. Deshalb ist unklar, ob die Reform den Schutz für Geflüchtete wirklich verbessert – oder ob sie nur ein System stützt, das schon lange nicht gut funktioniert.
1 2024-10-21_PRO-ASYL-Stellungnahme-GEAS-Umsetzungsgesetz.pdf
2 Eine neue Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement - Consilium
3 Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems | EU-Migrations- und Asylpolitik | bpb.de
4 GEAS-Reform im EU-Parlament: Historischer Tiefpunkt für den Flüchtlingsschutz in Europa | PRO ASYL