Tea Drmac ist eine geschätzte Mitarbeiterin der Personalabteilung bei der AWO Stuttgart

Begonnen hatte Tea Drmac mit einem Praktikum in der Geschäftsführung der AWO Stuttgart 2024. Schon schnell wurde deutlich, dass sich die junge Frau sehr geschickt anstellt und so wurde sie auch in anderen Teilen der Verwaltung eingesetzt. Heute arbeitet Tea Drmac in Teilzeit in der Personalabteilung der AWO Stuttgart. Ihre Blindheit ist dabei überhaupt kein Thema.

Anlässlich des 3. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung veröffentlichen wir erneut das 2024 das mit Tea Drmac für „AWO aktuell“ durchgeführte Interview.

Das Büro in der Olgastraße, in dem das Interview mit Tea Drmac, stattfinden soll, ist leer, der Arbeitsplatz mit Computerbildschirm und Tastatur verwaist. Da kommt eine junge, dunkelhaarige Frau mit sicheren Schritten den Gang entlang. Tea Drmac, ist blind und diese junge Frau im eleganten Kleid bewegt sich so sicher und ganz allein? Aber sie ist es: Tea Drmac, 26 Jahre alt, Kroatin, seit 2017 in Deutschland, derzeit Praktikantin im Sekretariat der AWO-Geschäftsführung und ab Mitte August Verwaltungskraft in Teilzeit. Sie stellt schon nach wenigen Sätzen freundlich-bestimmt klar: „Ich bin mehr als meine Blindheit!“ Und bevor sie Zeit für ein Gespräch hat, muss sie kurz am Computer checken, ob E-Mails eingegangen sind. Das ist mit technischer Unterstützung kein Problem. Dann schildert sie ihre außergewöhnliche Karriere, die – vor allem in einem Land, das sich seiner Inklusion rühmt – so außerordentlich gar nicht sein sollte und es doch ist.

Es war in Bosnien um die Jahrtausendwende, als die älteste Tochter der Familie Drmac an einem Hirntumor erkrankte. Da war die kleine Tea gerade mal zweieinhalb Jahre alt. Der Tumor drückte auf den Sehnerv und zerstörte ihn, so dass das Mädchen erblindete. Tea hatte Glück im Unglück: verständnisvolle, kluge Eltern und gute Lehrer. Die Eltern, die nach Tea noch zwei weitere Kinder bekamen, packten die blinde Tochter nicht in Watte, sondern behandelten sie ganz normal. „Ich durfte und musste alles mitmachen, was meine Schwestern auch gemacht haben“, erinnert sie sich an ihre Kindheit in Bosnien, „kochen, fahrradfahren, wäschewaschen.“ Das macht stark, selbstständig und selbstbewusst. In der Blindenschule, die sie in Bosnien besuchte, traf sie auf „richtig gute Lehrer“, sie lernte die Brailleschrift (Punktschrift), machte Abitur, lernte englisch, weil sie am liebsten in den USA studieren wollte. Inzwischen hatte die Familie beschlossen, 2017 nach Deutschland zu gehen. Tea kam mit, ohne den Traum von den USA ganz zu begraben. Zunächst aber musste sie den deutschen Hauptschulabschluss nachholen und langweilte sich in allen Fächern – außer in Deutsch. „Ich wollte studieren, aber mein Deutsch war nicht gut genug“, erinnert sich Tea Drmac an die Anfangszeit. Das änderte sich in den nächsten Jahren, inzwischen spricht sie die Sprache fließend. Als Blinde dem Sprachunterricht zu folgen, erklärt sie dem Sehenden, sei einfach, schwieriger sei es in Mathematik, wenn ständig Formeln an die Tafel geschrieben werden. Dafür braucht es eine sehende Assistenz.

Bei der Nikolauspflege in Stuttgart begann sie eine Ausbildung, erwarb zusätzliche Kenntnisse am PC und ließ sich, weil sie gute Noten hatte, zur Kauffrau für Digitalmarketing ausbilden. Es sei eine gute Idee gewesen, die Ausbildung bei der Nikolauspflege zu machen, resümiert sie und überhaupt „ist Bildung das Wichtigste! Man muss jede Chance nutzen, sich weiter zu bilden“, ist Tea Drmac überzeugt.

 Als ein Praktikum anstand, war klar: In der freien Wirtschaft wollte sie es nicht machen. Aber wo dann? „Versuchen Sie’s mal bei der AWO!“ riet eine Ausbilderin. „AWO? Was ist das?“ - „Googeln Sie mal!“. Tea Drmac googelte und staunte: „Wow!“ genau so etwas hatte sie sich vorgestellt. „Es macht mir wirklich Spaß“ sagt sie, „die Atmosphäre hier bei der AWO ist gut und die Kollegen sind so freundlich!“ Nach zwei Tagen konnte sie sich in den Räumen in der Olgastraße selbstständig orientieren, nur die Verkehrssituation rund um den Charlottenplatz findet sie ein wenig verwirrend – und das geht schon Sehenden so.

 Und weil Tea Drmac eine ist, die ihre Träume nicht nur träumt, sondern verwirklicht, war sie inzwischen auch für ein Austauschjahr in den USA – allein, was viel Organisation vorausgesetzt, aber gut geklappt hat. Zurück gekommen war sie mit der Erkenntnis, dass man in den USA in Sachen Inklusion deutlich weiter ist als hierzulande. „Und dabei dachte ich, dass hier alles hundert Prozent perfekt ist“. Der Vater bei ihrer amerikanischen Gastfamilie war ebenfalls blind, unterrichtete aber als Lehrer an einer Regelschule – und niemanden hat es gewundert, alle Kollegen in den Regelschulen wussten, wie sie mit blinden Menschen umgehen müssen. Nämlich so, wie mit jedem anderen Menschen auch – eigentlich.

 „Ich mag es nicht, wenn die Leute auf meine Blindheit fokussiert sind“, sagt Tea Drmac, „ich bin ein ganz normaler Mensch – und eigentlich immer gut gelaunt.“ Außerdem ist sie eine junge Frau, die sich gern gut kleidet, gern schwarz trägt, sich schminkt, am Wochenende Freunde trifft und gern ausgeht, manchmal auch ins Kino. Dank Audioscript („hören, was andere sehen“) ist das auch kein Problem. Und natürlich müsse keiner Bedenken haben, „guck mal!“ zu ihr zu sagen. Denn natürlich „sieht“ sie, wenn auch ein bisschen anders als andere, mit den Händen und mit den Ohren.

Nach der Ausbildung steht die Erfüllung eines weiteren Traumes an: Am liebsten möchte Tea Drmac berufsbegleitend Soziale Arbeit studieren und mit Familien und Jugendlichen zusammenarbeiten. Und wie es aussieht, wird sie auch diesen Traum realisieren.  

(ann)

 

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