Faktencheck #9

Die Grundlagen der Dublin-III-Verordnung und das Dublin-Verfahren haben wir im Faktencheck #8 erklärt. Hier zeigen wir, was bei dem Verfahren in der Praxis nicht funktioniert und welche Schwierigkeiten es gibt.

Ein Grund, warum die Verordnung nicht immer angewendet wird, ist: Die Unterkünfte und die Behandlung von Geflüchteten in den EU-Ländern sind nicht überall gleich gut. In manchen EU-Ländern gibt es große Probleme. Deshalb kann es dazu kommen, dass Geflüchtete nicht in alle EU-Länder zurückgeschickt werden.1

In Polen zum Beispiel haben Dublin-Rückkehrende einen schlechten Zugang zum Asyl-Verfahren. Sie haben nach der Rückführung nur wenige Tage Zeit, um sich in einer Unterkunft zu melden.  In dieser Zeit bekommen sie dort auch kein Geld. Wer sich nicht rechtzeitig meldet, kann nicht mehr in das Asyl-Verfahren. Die Betroffenen können höchstens einen Folge-Antrag stellen. Das berichten die Geflüchteten-Statistiken von AIDA.2 Das Problem: Die Behörden schieben viele Menschen in ein Folge-Antrags-Verfahren ab, obwohl sie eigentlich weiter in dem alten Verfahren bleiben könnten. Außerdem werden viele Menschen in Polen inhaftiert, auch Familien, Kinder und Folter-Opfer.3 In den Haftzentren gibt es keine gute Rechts-Beratung für die Menschen. Verwaltungs-Gerichte stoppen Abschiebungen nach Polen nur in sehr wenigen Fällen, zum Beispiel bei Familien mit kleinen Kindern. Im Jahr 2024 waren nur 14 Prozent der Eilanträge vor den Gerichten erfolgreich.4

Auch in Griechenland ist es für Dublin-Rückkehrende schwierig. Viele Menschen berichten, dass sie keine Wohnung und keine Hilfe bekommen.5 Ähnliche Berichte gibt es auch aus Italien, Bulgarien und Kroatien.6, 7 Das Bundes-Verwaltungs-Gericht hat Griechenland und Italien vor kurzem als nicht gefährlich eingestuft, obwohl es immer wieder Berichte über Obdachlosigkeit und mangelnde Versorgung gibt.8, 9

Für Geflüchtete in Deutschland hat eine Dublin-Rückführung soziale und psychische Folgen. Viele Geflüchtete leben schon einige Jahre in Deutschland. Sie haben die Sprache gelernt, Freunde gefunden und sich an das Leben hier gewöhnt. Wenn sie in ein anderes EU-Land zurückgeschickt werden, ist das ein harter Schnitt. Viele Menschen sind dann verzweifelt. Sie haben keine Freunde und keine Familie dort. Oft können sie auch nicht arbeiten.10

Auch in Bezug auf die Leistungen in Deutschland, stehen Dublin-Betroffene oftmals vor großen Problemen. Ende Oktober 2024 hat der Bundestag beschlossen: Die Sozial-Leistungen für sogenannte "Dublin-Fälle" werden stark gekürzt. Seitdem gilt die Regelung: Wer als "Dublin-Fall" nach Deutschland kommt, hat unter bestimmten Umständen nur noch 2 Wochen Anspruch auf Sozial-Leistungen. Danach werden die Unterkunft, die Gesundheits-Versorgung und alle anderen Leistungen eingestellt.11 Sozial-Gerichte etwa in Hamburg und Karlsruhe haben entschieden: Die Regelung verstößt gegen das Grund-Gesetz und gegen europäisches Recht.12

Zusammenfassend zeigt sich: Die Dublin-III-Verordnung kann in der Praxis oft nicht umgesetzt werden. Trotzdem wurde lange an dem Dublin-System festgehalten. Im Juni 2026 soll die Dublin-III-Verordnung durch eine neue Verordnung ersetzt werden. Sie ist Teil von der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asyl-Systems GEAS. Wie die Reform aussieht und ob sie besser ist, zeigen wir im nächsten Faktencheck.

 

1 Dublin-Verf-2024web.pdf

2 AIDA-PL_2023-Update.pdf

3 Angst vor Abschiebung nach Polen: »Polen ist für uns nicht sicher« | PRO ASYL

4 Drucksache 20/15133

5 Keine Verbesserung: Flüchtlinge in Griechenland ohne Bett, Brot und Seife | PRO ASYL

6 Flüchtlinge in Bulgarien: Entrechtung, Misshandlung und Verelendung | PRO ASYL

7 32324.pdf

8 Informationsverbund Asyl & Migration - Detail

9 Pressemitteilung Nr. 57/2024 | Bundesverwaltungsgericht

10 Warum Abschiebung keine einfache politische Lösung ist – Netzwerk Fluchtforschung

11 Bundesgesetzblatt Teil I - Gesetz zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems - Bundesgesetzblatt

12 SG Hamburg stoppt kompletten Leistungsausschluss für Geflüchtete im Dublin-Verfahren – Flüchtlingsrat Baden-Württemberg

 

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